My near philosophical musings about the world in general its problems and possible ways out.

2006-11-26

Denn er hatte einen Dackel …

Nun sollte man denken, dass es doch nichts über den Menschen aussagt, ob einer einen Dackel hat oder nicht. Ich habe ja schließlich nicht behauptet, dass er einen „Vogel“ hat. Aber vielleicht ist es doch anders. Vielleicht sind die Zufälle doch viel seltener, als wir es annehmen. Vielleicht verraten wir unsere innersten Überzeugungen doch viel stärker durch scheinbar banale Äußerlichkeiten, als wir glauben.

Bei unserer nicht mehr blutjungen, aber doch ganz vitalen blonden Nachbarin, der auf irgendwie ungeklärte Weise der Mann abhanden gekommen war, war ein Neuer eingezogen. Bis auf seinen hörbar bestimmten Tonfall nicht weiter auffällig – wäre da nicht der Dackel, den er in die Beziehung eingebracht hatte.

Eigentlich nichts besonders. Und hätte man etwa erwarten sollten, dass er so einen niedlichen glupschäugigen, schwanzwedelnden Niederflurquattropeden wegen einer neuen Beziehung so einfach – mir nichts, dir nichts – in die Verbannung schickte oder gar ins Jenseits beförderte? Nein, der kleine fiepende Kotabsetzer zog ganz selbstverständlich mit ein.

Und dann nahm das Unglück seinen Lauf. Es konnte ja gar nicht gut gehen. Das hätte man doch vorher sehen müssen – lässt sich jedenfalls hinterher sagen. Und daran soll ein Dackel schuld sein? Nein, nicht ganz – auf irgendeine Weise doch unschuldige Kreatur - ist er aber ein starkes Indiz dafür, dass der kurz vor Torschluss erschienene, rettende Traummann doch nichts weiter als ein kleinbürgerlicher, spießiger Rechthaber war und nach kurzer Schamfrist samt Dackel wieder an die Luft gesetzt werden musste.

Wer einen Dackel hat, der ist … Nun, man kann ihn ja auch geerbt, gewonnen, in Pflege genommen haben. Oder er ist einem zugelaufen und man mochte nicht so hartherzig sein, ihm wieder das Gartentor zu weisen. Wer sich aber bei vollem Bewusstsein und in Kenntnis der Folgen, zu 100% schuldfähig also, einen Dackel anschafft, der kann auch gleich sein verschrobenes Psychogramm an die Haustür nageln.

Denn der Dackelführer an sich braucht eine hündische Seele, die von möglichst kurzen Beinchen mit Schlafzimmerblick zu seinem „Herrchen“ aufsieht. Haben Sie schon einmal einen Kollegen, Nachbarn oder sonst einen Menschen, von dem Sie bereits ein vorläufiges Bild hatten, unerwartet bei Ausführen seiner domestizierten Bestie erleben dürfen? Hatten Sie ihn sonst vielleicht als friedfertigen, ausgeglichenen Menschen erlebt, so zeigt er Ihnen hier ein ganz anderes (sein wahres?) Gesicht. Seine Stimme wird rau und hart. Er befiehlt, schreit, brüllt, lässt exerzieren als sehnte er sich nach den alten großdeutschen Zeiten zurück, in denen auch der gemeine Mann zu Befehlsgewalt gelangen konnte, wenn er nur der richtigen Gruppe Gefolgschaft leistete.

Was hat der Mensch doch über die Jahrtausende aus dem stolzen Wolf gemacht – krummbeinige, schwanzwedelnde Karikaturen seiner selbst, mimiklose Tötungsmaschinen, Ersatzpartner zum Schmusen oder für das einseitige Gespräch, kritiklose Befehlsempfänger oder tumbe Repräsentationsobjekte. Seltsam, dass sich keines der „Herrchen“ blöd vorkommt, mit einem derart verbogenen Stück ehemaliger Natur durch die Straßen der Nachbarschaft zu patrouillieren. Aber das ist eben ein Teil seines Psychogramms.

Deswegen konnte es auch nicht gut gehen – denn er hatte einen Dackel.

Horst-Walther

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